1984 – Romy Schoenberg, eine modeaffine junge Dame, und Franz Tinnacher, klassischer Mode-Agent, eröffnen eine Boutique mit exquisitem Schuhsortiment: unter englischem Namen, mit italienischen Schuhen, im französisch geprägten Saarland – 30 Quadratmeter mitten im Saarbrückner Rotlichtviertel.
1997 – Der erste gemeinsame Laden von Romy und Max Schoenberg; Zu einer Zeit, als es in der Schuhbranche noch nicht üblich war, auf Messen nach Paris oder Mailand zu fahren, dauerte es nicht lange, und der kleine „Laden an der Ecke“ war weitum bekannt. Die Leute kamen, und sie kamen immer wieder – wegen der besten Schuhe ihres Lebens … und wegen Romy und Max Schoenberg. Mit ihr als virtuose Modekoriphäe und ihm als leidenschaftlichen Dienstleistungs-Intellektuellen haben sich zwei Komplementärmenschen gefunden, die miteinander wachsen konnten.
„Wir sind besser als gestern und morgen sind wir besser als heute.“
Heute gehören sechs FIFTY-6 Stores mit insgesamt 536 Quadratmetern zum Unternehmen. Und mittlerweile gibt es nicht nur Schuhe, sondern auch Oberbekleidung zu kaufen – ausgewählt von der Chefin höchstpersönlich. „Persönlich“ ist auch das Schlüsselwort: Die Menschen kommen aus München, aus Paris und aus Mailand, um sich bei FIFTY-6 stilsicher ausstaffieren zu lassen. Denn hier bekommt man nicht das verkauft, was hip ist und den meisten Umsatz bringt, sondern genau das, was zu einem passt. „Apart bist du durch dich, und nicht durch das, was du anziehst. Kleidungsstücke sollen nichts vor-schützen, sondern etwas unter-stützen.“
Max Schoenberg bezeichnet sich selbst als „Zukunftsmensch“. Er beobachtet, hinterfragt und hat Freude daran, sich selbst zu fordern und weiterzuentwickeln. Er spinnt gerne Gedankenfäden, spielt mit der Sprache und hat tausende Anekdoten auf Lager. Wenn ihm ein Thema nahegeht, kann er sich glühend darüber auslassen – aber immer ruhig und auf überaus hohem intellektuellen Niveau. Ein überlegter Gesprächspartner, sehr klar in seinen Aussagen, der einen mit seiner Tiefe und seinem feinsinnigen Humor mitnimmt in seine Welt.
Über Dienstleistung in ihrer schönsten Form
„Ein ,Guten Tag’ ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Freude.“
So mancher, der zum ersten Mal einen FIFTY-6 Laden betritt, fühlt sich vom Überschwang ein wenig überfordert. Man wird begrüßt, be-DIENT, es findet ein Gespräch statt – kein alltägliches Erlebnis beim Schuhe Kaufen. Aber ein Erlebnis, das gerne immer wieder gesucht wird: „Es findet ein Lernprozess beim Kunden statt – beim ersten Mal will er noch alles selber machen, beim zweiten Mal kommt er schon auf einem Bein angehüpft.“
Bei FIFTY-6 wird eine Kultur der Dienstleistung gelebt, bei der jeder Einzelne der Wichtigste ist, bei der es dem Verkäufer ein aufrichtiges Anliegen ist, dass der Kunde beim Verlassen des Ladens glücklich ist und besser aussieht als vorher.
Über Offline Shopping
„Es geht um Emotion, um die Feinheiten – das geht nur stationär, von Mensch zu Mensch.“
Auf der FIFTY-6 Homepage findet sich ein „Onlineshop“-Button, online einzukaufen versucht man allerdings vergebens: „Bei uns kommen Sie nicht ins Internet, bei uns kommen Sie wieder! “) Die persönliche Interaktion zwischen Verkäufer und Kunde ist eine der Grundfesten, an denen nicht gerüttelt wird.
Über 30 Jahre auf den Knien
„Ich bin reflektiert und kann Dienstleistung in allen Facetten intellektuell erklären. Um es aber zu vermitteln, muss ich es TUN und ZEIGEN, dass man auf den Knien nicht sein Niveau verlässt.“
Was Max Schoenberg von anderen Dienstleistern unterscheidet: Nach Ladenschluss geht es erst richtig los. Man kann den Tag Tag sein lassen und Scheine zählen, oder man kann reflektieren, lernen und Entscheidungen treffen. „Wenn die Reflektion dazu führt, dass Veränderung stattfindet, dann macht man es gerne – weil man merkt, dass man wächst.“
„Ein guter Verkäufer muss sich über Menschen freuen.“ Die Kultur und Freude an der Dienstleistung, die er selber lebt, fordert Max Schoenberg auch von seinen Mitarbeitern ein. Als Arbeitgeber wird vor ihm gewarnt, denn halbe Kraft voraus gibt es hier nicht. Entweder mit Leib und Seele dabei … oder eben nicht. Vier von fünf gehen wieder – meist ohne sich zu fragen: Ist das überhaupt mein Beruf? Liegt es vielleicht daran, dass ich mich nicht freue, wenn die Ladentür aufgeht?
„Der, der nicht lesen, nicht schreiben, nicht reden kann, aber dessen Augen funkeln, den kann ich entwickeln.“ Die Grundhaltung muss für Max Schoenberg stimmen: „Es gibt so wenige Menschen mit einer positiven Grundeinstellung, deshalb können auch so wenige bei uns arbeiten.“ Es braucht Begeisterung, und es braucht den Willen, sich selbst zu fordern. „Man gibt entweder alles, oder man ist nicht gut.“
Viele Leute, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, haben das Aufstehen (noch) nicht gelernt, den Zusammenhang von Versagen und Leistung noch nicht erkannt. „Harry Potter ist auch 1000mal gescheitert, bevor er den Zauberstab richtig halten konnte.“
Über Humor
„Ich bringe die Leute zum Lachen, weil ich einfach gerne lebe.“
Für Max Schoenberg geht es nie um Arbeit, um Umsatz, um Klamotten, … sondern immer um das Leben. „Wir transportieren Emotionen, die wir aus Amerika, England, Italien … oder vom Mond … holen und uns in Form von Schuhen angeliefert werden. Um die Emotion zum Kunden zu bringen, braucht es Waggons, und diese Waggons sind die Mitarbeiter.“
Über Hands on
„Ich habe einen Laden, den ich selber kehren kann – es ist nämlich mein Laden.“
Max Schoenberg ist in einem Zeitgeist groß geworden, in dem einem nichts „geschenkt“ wird, in dem man sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern muss. „Und eigene Angelegenheiten sind all jene, um die sich kein anderer kümmert.“ Ein Beispiel: Die Fassade eines Geschäfts wird mit Graffiti beschmiert. Für die Beseitigung wäre laut Vertrag der Besitzer / Vermieter zuständig. Wenn ich mich aber als Mieter darauf berufe und mein Recht einfordere, anstatt selbst Lappen und Bürste in die Hand zu nehmen, habe ich nicht im Ansatz verstanden, was Unternehmer-Sein bedeutet. Es ist MEINE Fassade, MEINE Visitenkarte, ICH habe mich darum zu kümmern.
Über Trendsetzer
„Wenn du emotional einkaufst, liegst du richtig.“
Romy Schoenbergs spezielles Händchen für Mode beruht auf einem Zusammenspiel von Information und Emotion: Sie liest alle Modemagazine, kauft aber dennoch nicht das ein, was in der Zeitung steht. Ihre Reflektionen sind weiter als jede Moderedaktion, wobei sie unverbalisiert entwickelt. „Wenn sie das reflektieren würde, wäre es nicht mehr ehrlich.“ Romy stellt also die Fortsetzung oder die Korrektur zusammen, wobei sie sich – ohne Vorgaben und ohne Limits – einzig und allein von ihrer Intuition leiten lässt.
Über Ehrlichkeit im Verkauf
„Wir verkaufen unsere Ware, nicht unsere Überzeugungen“
Ehrlich zu bleiben, in jeder Situation, ist für Max Schoenberg eine der obersten Prämissen. „Wenn du in einer Situation nicht ehrlich sein kannst – und davor sind wir alle nicht gefeit – dann hältst du besser die Schnauze oder entziehst dich der Befragung. Meist lernt man das schon als Kind: Man kann sich nicht alles merken, was die Unwahrheit ist. Und die einfachste Methode ist es, ehrlich zu sein. Das hat auch mit Moral zu tun, aber das Wort Ehrlichkeit ist besser.“
„Wenn ein Verkäufer für den Umsatz schummelt, dann kann er nicht für uns arbeiten. Wer einer breiten Dame etwas verkauft, das sie noch breiter macht – wegen 10 Euro mehr – der ist eine Hure.“
Max Schoenbergs Hauptziel ist es nicht, Kunden glücklich zu machen – sondern Kunden glücklich zu machen, obwohl er ehrlich bleibt. Einer Kundin die 350 Euro-Schuhe auszureden, weil ihr die 150-Euro Schuhe viel besser stehen, widerspricht jedem Verkäufer-Prinzip … aber es ist FIFTY-6.
Über Bildung
„Man kann Marken nicht entwickeln, aber man kann sie schnell kaputtmachen.“
Dank seiner Mutter erlangte Max Schoenberg schon sehr früh Zugang zu anspruchsvoller Literatur. Sie konnte wunderbar Geschichten erzählen und damit bei dem 10-jährigen Begeisterung für die Klassiker der Antike wecken. „Ich war nie ein Überflieger, aber wenn mich etwas begeistert hat, wurde scheinbar Unmögliches ganz einfach.“
Die Anforderungen in Max Schoenbergs Familie waren Bildung, Bildung und nochmals Bildung: Dafür, seinen Horizont zu erweitern und sich Wissen anzueignen, wurde auf vieles andere verzichtet. „Die Klassenreise fiel aus, das Nutella wurde wieder nicht gekauft, aber die 180 D-Mark für den Brockhaus wurden bezahlt.“ Damals habe er geheult wie ein Schlosshund, heute profitiere er jede Minute davon.
„Bildung ist, die Information, die man bekommt, gerne anzunehmen.“ Banalste Situationen bieten oft Gelegenheit, sich weiterzubilden – z.B. mitten im Film auf eine andere Sprache umzuschalten. Im Laufe eines Tages kommen viele „Bildungs-Züge“ vorbei, man braucht nur aufzuspringen – und laut Herrn Schoenberg macht das richtig Spaß!
Über Glück
„Man hat immer, 1000mal am Tag, die Entscheidung, wie man mit einer Situation umgeht.“
Wenn beispielsweise ein Hund an einem hochspringt, hat man zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Version 1: Man ärgert sich über den Fleck auf der Hose. Version 2: Man freut sich über die Begeisterung de Hundes und lässt sich davon anstecken. „Ich entscheide mich für Version 2.“
Über Erfolg
„Man kann Erfolg haben und trotzdem nicht gut sein – wenn es Erfolge sind, die einem nicht gut tun.“
Auf einen Titel hat Max Schoenberg verzichtet, als er sein Studium kurz vor Abschluss an den Nagel hängte. Erfolgreich ist er trotzdem – oder gerade deswegen …? Seine Freude daran, den Dingen auf den Grund zu gehen und sich auf Basis von Wissen, Erfahrung und Reflektion weiterzuentwickeln, hat Max Schoenberg zu einem erfolgreichen – und zudem glücklichen – Menschen gemacht. „Erfolg ja, aber bitte nicht zählbar!“
Über Werte
„Französische Lebensweise, preußische Arbeitsmoral“
Dienstleistung kann der Österreicher, Präzision der Schweizer, die Korrektheit kommt aus dem Preußischen, und die Selbstverständlichkeit, selbst unmöglichsten Wünschen mit einem „No Problem“ zu begegnen, hat er in den USA kennengelernt: Max Schoenberg vereint in sich die charakteristischen Grundwerte der Nationen, mit denen er aufgewachsen ist. Dazu kommt die französische Leichtigkeit des Seins, die typisch für die Saarländer ist: Prestigeprodukte oder –marken haben hier weniger Relevanz als Schönheit und Haptik („Lieber ein guter Crémant als ein schlechter Champagner“).
Über Limits
„An den Weichenstationen seines Lebens braucht man Glück und jemanden, der einem sagt, dass man es kann.“
Glück bedeutet, dass man intuitiv die richtige Entscheidung trifft oder jemanden hat, der einen in die richtige Richtung schubst. Ein soziales Umfeld, das einem sagt, dass man es kann und nicht die Limits aufzeigt. Grenzen gibt es immer – links und rechts, vorne und hinten. „The sky ist the limit“ kann also auch als Flucht vor den Grenzen verstanden werden: Wenn es weder nach links oder rechts noch vorwärts oder rückwärts geht, bleibt nur der Weg nach oben. „Zwei Dobermänner und wir sitzen auf der Fahnenstange.“ Hier kommt wieder die Entscheidung zum Glücklich-Sein zum Tragen: Nicht „der böse Hund“ sondern „Geil da oben, ohne die Dobermänner hätten wir das nie geschafft.“ Max Schoenberg fühlt sich auf dieser Flaggen-Pole so richtig wohl: „Es ist ganz seltsam, verrückt … da oben ist immer Erfolg.“
Impressum: Interview: Thomas Stranig, Text: Vero Neubacher, Bilder: Archiv FIFTY-6, Besserdich Fotografie, juicesaar;