Zu unserem Markengespräch wurde ich in die altehrwürdigen Gemäuer des Schlosses St. Emmeram in Regensburg geladen. Die Begegnung mit Fürstin Gloria von Thurn & Taxis fand allerdings nicht in einem der prunkvollen Säle oder in einem feudalen Büro statt, sondern genau da, wo sich überall auf der Welt das Herz und gesellschaftliche Zentrum des Hauses befindet: in der Küche.
„Gucci war auch angestaubt – und dann kam Tom Ford.“
Die Marke Thurn & Taxis war, wenn man so will, bereits im 16. Jahrhundert, zu Zeiten der „Kaiserlichen Reichspost“ präsent. Heute kennt man die legendären Schlossfestspiele und den Adventmarkt auf St. Emmeram, die Fürstliche Brauerei (seit 1996 Heineken), den Forstbetrieb, und natürlich „Gloria“ als Marke, Gallionsfigur und offizielle Repräsentantin der Dynastie von Thurn & Taxis.
Was mich allerdings in erster Linie brennend interessiert und motiviert hat, das Gespräch zu suchen: Wer ist diese Frau, die nach dem Tod des Familienoberhauptes Johannes von Thurn & Taxis plötzlich vor der Aufgabe stand, ein weit verzweigtes Firmenimperium zu übernehmen und aus der Krise zu führen? Wofür steht Gloria von Thurn & Taxis? Worin liegt die Faszination? Wie viel Gloria steckt heute in Thurn & Taxis und umgekehrt?
Was sich bereits in den Vorrecherchen herauskristallisierte, wurde in der persönlichen Begegnung zu einem ganz klaren Bild: Ich habe es mit einer überaus starken, unabhängigen Persönlichkeit zu tun, die auf grundsoliden Werten und einer tiefen Herzenswärme aufbaut. Keine Frage: Sie ist ruhiger geworden. Überlegter. Aber das Wilde und Bunte, das ihr in den 80ern jede Menge Boulevard-Schlagzeilen eingebracht hat, ist noch da. Irgendwo. Manchmal ist es ein kurzes Blitzen in den Augen, ein herzhaftes, hemmungsloses Lachen – hochgradig ansteckend und einfach nur liebenswert.
Sie muss es niemandem „recht machen“ – Wenn Gloria von Thurn & Taxis vor einer Entscheidung steht, packt sie an: kraftvoll und mutig, mit Scharfsinn und einer Prise Leichtigkeit und Humor sowie einem untrüglichen Instinkt für das, was echt, wahr und gut ist.
Über die Metamorphose der Marke Thurn & Taxis
Ihre Durchlaucht räumt auf.
Die einst glanzvolle Aura um die Thurn & Taxis Dynastie büsste in den 1990er Jahren, nach dem Tod von Johannes von Thurn & Taxis, einiges an Leuchtkraft ein: Es offenbarte sich ein von Misswirtschaft und Intrigen gezeichnetes Firmenimperium mit Steuerschulden in zweistelliger Millionenhöhe. Nachdem der rechtmäßige Erbe Albert erst sieben Jahre alt war, kam der betriebswirtschaftlich vollkommen unerfahrenen Gloria die Aufgabe zu, den Familienbesitz bis zu dessen Volljährigkeit zu verwalten. Sie nahm die Herausforderung an, leitete eine radikale Wende ein und legte eine Sanierung hin, die die Wirtschaft bis dato noch nicht erlebt hatte. Sie traf harte, zum Teil höchst unpopuläre Entscheidungen: Fast die gesamte Führungsriege wurde entlassen, alles Unrentable – darunter eine Vielzahl an mittelständischen Unternehmen, die Münchner Thurn & Taxis Bank, Immobilien und Ländereien bis hin zu Möbeln, Porzellan und Tafelsilber – wurde abgestoßen. „Ihre Durchlaucht räumt auf“, titelte der SPIEGEL (35/1991). Plötzlich war die Punk-Fürstin für die Wirtschaft interessanter als für die Yellow Press.
Im Prinzip hat Gloria nach ihrem gesunden Menschenverstand gehandelt und einfach getan, was getan werden musste – mit dem Blick auf ihre große Verantwortung und klaren Zielen – nämlich, den Erben eine wirtschaftlich gesunde und tragfähige Firmenkonstellation zu übergeben und das kulturelle Erbe der Thurn & Taxis-Dynastie zu erhalten.
In den Markenwelten lebt der Mythos Thurn & Taxis weiter: In der „Fürstlichen Brauerei“, die zwar mittlerweile von Heineken betrieben wird, aber immer noch von der historischen Location profitiert, in den mittlerweile legendären Schlossfestspielen, dem Weihnachtsmarkt im zauberhaften Schlossgarten und vor allen Dingen auf St. Emmeram selbst – einem beeindruckenden Ort, der 1000-jährige Geschichte atmet und doch voller Lebendigkeit und Kreativität steckt. Gloria steht als strahlender Mittelpunkt und Herz für eine offene und zeitgemäße Kultur. Sie führt die Thurn & Taxis Dynastie, deren Stabilität unter wenig ehrenhaften „Vertrauten“ gelitten hat, mit Weltoffenheit und gelebten Werten in eine neue Zukunft.
Über den Faktor „Gloria“
Das Bewusstsein, selbst eine Marke zu sein, musste erst wachsen.
Heute weiß sie diese Tatsache geschickt im Sinne ihrer Verantwortung einzusetzen. Obwohl der Weihnachtsmarkt ebenso wie die Schlossfestspiele von externen Veranstaltern organisiert werden, stehen die Events, die jährlich tausende Besucher anlocken, ganz im Zeichen der Marke Thurn & Taxis. Die Menschen kommen, um sich bezaubern zu lassen, um die einmalige Atmosphäre dieses Ortes zu spüren, und nicht zuletzt, um die leibhaftige Fürstin zu sehen, die nicht nur als Galionsfigur den Mythos der Dynastie verkörpert, sondern sich auch aktiv unter die Akteure mischt. So kann man sie schon einmal als Darstellerin in der „Rocky Horror Picture Show“ bewundern oder ihr mit einer Leberkässemmel in der Hand am Glühweinstand begegnen.
Über Mitarbeiter-Identifikation
Dieser Ort erlangt seine Glaubwürdigkeit durch die Protagonisten.
Die Mitarbeiterriege auf St. Emmeram, zur Zeit etwa 30 Personen, sind ein perfekt eingespieltes Team und allesamt „Thurn & Taxis-infiziert“: Ein starker Bezug zu der historisch gewachsenen Familie, die „fürstliche Orientierung“ sowie auch der wertschätzende Führungsstil von Gloria sorgen für einen treuen Mitarbeiterstab, der stolz und verantwortungsbewusst die Marke Thurn & Taxis mitträgt.
Impulse zur Weiterentwicklung kommen meist von Gloria selbst, sind aber auch von jedem einzelnen Mitarbeiter gefragt: Optimierungsvorschläge können jederzeit an die Fürstin herangetragen werden und werden bei Gefallen auch unmittelbar und unbürokratisch umgesetzt – wobei der Impulsgeber meist auch gleich mit der Projektleitung betraut wird.
Über Verantwortung
Es ist ein Privileg der Jugend, spontan und ungestüm zu sein.
it der Herausforderung ist Gloria von Thurn & Taxis gewachsen: Sie ist gemäßigter geworden, gezielter, kontrollierter. „Heute würde ich nicht mehr jeden Schmarrn mitmachen.“
Über Spiritualität und Unternehmertum
Man spürt, dass man hier in einem katholischen Haus ist, wo die Werte gelebt werden.
Die Thurn & Taxis Kultur ist seit jeher geprägt von einem festen Wertesystem, basierend auf dem katholischen Glauben. „Wir haben immer eine sehr faire und verantwortungsbewusste Personalpolitik betrieben, die sich darin zeigt, wie Mitarbeiter behandelt und auch bezahlt werden. Man weiß, dass man mit Thurn & Taxis einen verlässlichen, beständigen Partner hat.“
Als Ritterin des Malteserordens, ebenfalls eine Tradition des Hauses Thurn & Taxis, ist Gloria aktives Mitglied einer spirituellen Gemeinschaft, in der jeder aufgerufen ist, den Glauben weiterzutragen und regelmäßig karitative Aufgaben zu übernehmen. Insbesondere die weltweite Vernetzung wird von der Fürstin hoch geschätzt: Junge Menschen, die beispielsweise ein Jahr im Ausland verbringen möchten, um mit Kindern, Gesunden oder Kranken zu arbeiten, seien bei den Maltesern bestens aufgehoben.
Über ihre Lebensaufgabe
Mein Ziel ist es, das Schloss für künftige Generationen zu erhalten.
Das ehemalige Kloster St. Emmeram, mit seinen 500 Räumen größer als der Buckingham Palace, ist als Stammsitz der Familie erhalten geblieben. Um die enormen Instandhaltungskosten aufzubringen und das Erbe weitergeben zu können, hat Gloria von Thurn & Taxis die Pforten geöffnet: Ein Teil der Räumlichkeiten ist als Museum für Besucher zugänglich, ein Teil beherbergt das Archiv und die fürstliche Bibliothek, ein Teil wird als Arbeitsraum vermietet. Besonders gerne umgibt sie sich mit kreativen Menschen, die in der Lage sind, die besondere Kraft zu spüren und zu nutzen: Das Schloss ist mit Sicherheit einer der viel zitierten magischen Orte – ein Kraftplatz, der in jedem Winkel Geschichte wahrt.
Gloria von Thurn & Taxis setzt sich mit aller Kraft für diesen Ort ein – nicht, um die Geschichte anzuhalten und einen „verstaubten“ Zeugen vergangener Zeiten daraus zu machen. Genau so wie sie selbst im Hier und Jetzt lebt, so soll auch ins Schloss das echte Leben einziehen. Besonders der herrliche Garten liegt ihr am Herzen, den sie gerne noch viel mehr „bespielen“ würde. Unendlich viele Möglichkeiten und Ideen warten darauf – mit einem einfachen „go“ von Seiten der Politik – realisiert zu werden. ein kurzes Time-out, geht in die Sauna oder macht einen Waldspaziergang. Danach ist die Lösung meist da und muss nur noch aufgeschrieben werden.
Über die Sterbebettfrage
„Non, Je ne regrette rien“ – Edith Piaf
Wenn man spürt, dass das Leben dem Ende zugeht, denkt man sicherlich anders über die Dinge nach. Man sieht vielleicht Defizite, wo man Zeit vergeudet hat oder sich in bestimmten Situationen nicht richtig verhalten hat.“ Die eigene Sterblichkeit ist ein Thema, mit dem sich Gloria durchaus bewusst und beinahe täglich auseinandersetzt. Dennoch – oder gerade deshalb – lebt sie das Hier und Jetzt intensiv, sie liebt es, spontan zu sein und ist mit sich und der Welt im Großen und Ganzen im Reinen. Den Tod sieht sie als Bestandteil des Lebens, den sie nicht fürchtet, sondern den sie, wenn es soweit ist, als Freund begrüßen möchte.
Über persönliche Leidenschaften
Wenn Sie ein paar Jahre hier wären, würden Sie ganz viele Glorias kennenlernen.
Die Interessensgebiete und Aktivitäten der Fürstin zeigen sich ebenso bunt und vielseitig wie ihre Frisuren in den 80er Jahren. Die Freude an der Geschwindigkeit dürfte dabei wohl in den Genen liegen: Während Gloria begeisterte Motorradfahrerin und Windsurferin ist, lebt ihr Sohn Albert diese als erfolgreicher Rennfahrer aus. Sie ist ein überaus weltoffener, neugieriger Mensch, kann sich aber durchaus auch für einige Zeit vollkommen zurückziehen und sich ausschließlich einer weiteren Leidenschaft, dem Lesen, widmen. Alles, was Gloria von Thurn & Taxis macht, macht sie mit der ihr ureigensten unkomplizierten Art, mit Herz und Hingabe.
In der persönlichen Begegnung mit Gloria von Thurn & Taxis wird sofort klar, dass man sich auf sehr hohes Niveau begibt: Die Art zu sprechen, sich zu bewegen, der spürbar aufrichtige Respekt, der ihr von ihrem Umfeld entgegengebracht wird und viele weitere kleine Details zeigen einen höchst kultivierten Menschen, dessen Größe nicht im geringsten auf der adeligen Herkunft basiert. Die Achtung, die Gloria entgegengebracht wird, musste sie sich hart erkämpfen. Dabei ist sie sich und ihren Überzeugungen immer treu geblieben. Ihre Kraft liegt in ihrem Wesen – der Originalität, der Geradlinigkeit und der richtigen Portion Humor, mit dem sie vermeintliche Distanzen mühelos überwindet.
Impressum: Interview: Thomas Stranig, Text: Vero Neubacher, Bilder: Archiv Thurn & Taxis